„Wie unergründlich sind Deine Entscheidungen, wie unerforschlich Deine Wege, o ATAC! Vgl. Röm 11,33“ Rahel Reichelt über die Unzuverlässigkeit der römischen Verkehrsbetriebe (Confessio Romana, S.35)
Die ATAC ist der römische Verkehrsbetrieb. Berühmt- berüchtigt für ihre Unzuverlässigkeit und Intransparenz ist auch die Ineffektivität ein Problem. (Confessio S.64)
[…] In jedem Fall sind die Römer in der Lage, schicksalsergeben mit ihrer Infrastruktur umzugehen. Die Römer haben verstanden, dass ihr Lebensgrundsatz „coraggio e pazienza“ besonders für ihr Verkehrssystem steht: coraggio ist notwendig, wenn man auf den Straßen unterwegs ist, da generell Auto nach Sicht und nicht nach Regeln gefahren wird. Steht man aber mit coraggio für seine Position ein, so kommt man problemlos voran. Auf der anderen Seite ist pazienza dann notwendig, wenn man mit ATAC (Aziende Tramvie ed Autobus del Comune di Roma) unterwegs ist. Ein beliebter Scherz ist, das römische Verkehrsunternehmen ATAC stehe mit dem Namen eigentlich für: „arrivo tardi a casa.“
Dies ist sicher nicht falsch, doch hat ATAC auch mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: da ist erstens der zähe Verkehr Roms, der insbesondere in den Rushhours von 8 bis 10 oder 17 bis 20 Uhr die Stadt zum Erliegen bringt. Dann ist zweitens da ATAC selbst, ein korruptes, armes, intransparentes und divenhaftesVerkehrsunternehmen, das ebenfalls viel pazienza erfordert. Busse, Trams wie Metros sind darauf ausgerichtet, dass sie überfüllt sind. Es gibt wenig Sitzplätze und viel Stehplätze, damit weniger ATAC und mehr Überfüllung möglich wird. Spätestens ab Oktober, wenn alle Römer aus ihren Ferien zurück sind und wieder voll arbeiten, ist mit der ständigen Anfechtung der Überfüllung umzugehen. Und schließlich sind da drittens die unzähligen scioperi, die Streiks, die mindestens einmal pro Monat abgehalten werden.
Auch diese sind schwer durchschaubar, da teilweise nur einzelne Linien bestreikt werden und so unklar bleibt, wer fährt und wer nicht. Doch die Römer können sich auch damit arrangieren: „Warum hat eine echte Römerin immer zwei Liebhaber? Weil einer immer streikt.“ Und trotz allem muss man Kardinal Antonelli Recht geben und Gott Dank erweisen, dass Roms Infrastruktur so ist, wie sie ist. Sie gibt einem in allen römischen Lebenslagen eine Entschuldigung für Verspätung. Egal, wo man zu spät kommt, immer kann man auf ATAC verweisen und erhält ein verständnisvolles: „Ja, diese Stadt funktioniert nicht.“ Außerdem funktioniert ATAC vor allem nachts vergleichsweise gut, wenn der Verkehr ruhig ist; die Diva liebt also Nachtschwärmer. Und schließlich eröffnet der römische Verkehr uns allen tief religiöse Dimensionen: gerade hier machen wir Kontingenzerfahrungen, gerade hier spüren wir, dass wir nicht alles in unserer Hand haben, dass wir schlechthinnig abhängig sind. Mögen wir Gott Dank dafür erweisen!
(Loci Romani, S. 12)
Fahrrad
Unterwegs weichen wir immer wieder überforderten Touris mit Leihrädern und telefonierenden Autofahrern aus, lassen uns anhupen und üben uns darin, unserer Empörung in italienischer Gestik Ausdruck zu verleihen. (Johanna Guentter, Confessio Romana S. 30)
[…] Insgesamt ist es nicht gerade leicht, in Rom Rad zu fahren, und erfordert eine Wanderung auf dem schmalen Grad zwischen unerschrockenem Größenwahnsinn und vorsichtigem Respekt, gepaart mit großer Ruhe und Konzentration. Früher machte ich drei Kreuze, wenn ich die Berliner Oranienstraße lebend durchquert hatte, nach der fröhlichen Verkehrsanarchie auf der Piazza Venezia kommt mir das niedlich vor. Regelmäßig half gegen einen ausschlagenden Bus oder ein rechts überholendes Taxi nur noch der Sprung auf den Bürgersteig. Und auch die römischen Steigungen sind nicht zu verachten: Es ist eben die Stadt der sieben Hügel, selten wird einem das so bewusst wie auf dem Fahrrad.
Wenn man sich aber von all diesen Alpträumen nicht abschrecken lässt, wird man meiner Meinung nach mit der schönsten Fahrradkulisse der Welt belohnt. Ich habe im Stadtteil San Giovanni gewohnt und werde nie meine allmorgendlichen Strecken vergessen: Entweder an den Thermen des Caracalla und am Circo Massimo vorbei den Aventin hinauf oder über die schreckliche Steigung des Celio zum Colosseum, dann über die Via dei Fori Imperiali zur Piazza Venezia und ins Zentrum. Wenn dieses Gefühl, mit dem römischen Wind im Haar durch das Forum Romanum zu brausen, zum Alltag geworden ist, ist es gar nicht so leicht, sich wieder an die Berliner Oranienstraße zu gewöhnen. Effizienter ist das Radfahren sowieso: Mit der Bahn hätte ich für die meisten Strecken mehr als die doppelte Zeit benötigt. Das sind viele gesparte Stunden, die man in die tollen Bibliotheken, Museen und Eisdielen Roms investieren kann. Ich hatte das Gefühl, mich von einer treuen Freundin zu verabschieden, als ich das Rad am Ende des Studienjahres zurückgab – und werde ihm bei meinem nächsten Aufenthalt sicherlich einen Besuch abstatten.
(Loci Romani S. 29)
Car Sharing
Wenn ATAC mal wieder nicht oder zu langsam fährt und für wen Fahrradfahren eher wie Selbstmord scheint, der kann einen von den beiden CarSharing-Diensten der Stadt nutzen: car2go oder enjoy. Car2go ist ein Unternehmen der Daimler AG. Einmal angemeldet kann man mit der App sehen, wo in der Stadt sich überall Autos befinden. Direkt neben dem Studentato in der Via Aurelia auf dem Parkplatz des Crowne Plaza gibt es einen Sammelparkplatz für car2gos, wo meistens ein Auto zur Verfügung steht. Es gibt drei Fahrzeugtypen: Smart fortwo, Smart forfour und Smart Cabrio. Alle sind Automatik. Abgerechnet wird pro Minute, wobei der Minutentarif je nach Fahrzeugtyp von 19 ct bis 31 ct pro Minute variiert. In der Innenstadt findet man meist keinen Parkplatz, weshalb sich vor allem Fahrten in die Randstadtteile anbieten. Von Aurelio bis nach Ostiense und Testaccio, wo sich der Großteil des Nachtlebens abspielt, braucht man nachts bei freier Straße ca. 15 Minuten, während man mit der Metro bei Tag schon mindestens eine Stunde einplanen muss. Fast alle Wagen sind mehr oder weniger zerkratzt und falls der Wagen beim Fahren einige Defekte aufweist: keine Sorge. Nach einem besorgten Anruf meinerseits bei der car2go-Hotline beruhigte mich der Mitarbeiter mit dem Satz, dass alle ausrangierten Fahrzeuge aus Deutschland nach Italien und Spanien gebracht werden, ich mir also keine Sorgen machen solle, das wäre normal.