Forschungsseminar „Paulustraditionen im frühen Christentum in Rom“ – Bericht
Zwei Apostel sind fest in der römischen Tradition verwurzelt: Petrus und Paulus. Wen wundert es da, dass in Fortsetzung des 2016 stattgefundenen Forschungsseminars „Petrustraditionen im frühen Christentum“, dessen Tagungsband dieser Tage erscheint, dieses Jahr Paulus ins Zentrum rückte?
Vom 6. bis 10. November lud das Centro Melantone zusammen mit den Seminarleitern Jörg Frey (Zürich), Jens Schröter (Berlin) und Martin Wallraff (München) zum Thema „Paulustraditionen im frühen Christentum in Rom“ in die Ewige Stadt und versammelte Professoren, Habilitanden und Doktoranden des Neuen Testaments und der Alten Kirchengeschichte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Studenten des Centro Melantone, um aus verschiedenen Blickwinkeln zu ergründen, welche Bedeutung Paulus in den Anfängen und ersten Jahrhunderten für die römischen Christen hatte.
Neugierig durfte man zuhören und mitdiskutieren, wo und wie Paulus wohl in Rom gewohnt haben könnte, warum Papst Gregor der Große es Jahrhunderte später wagte, der byzantinischen Kaiserin Konstantia Paulusreliquien zu verwehren, oder auf welchem Weg Paulus überhaupt nach Rom kam.
Seine besondere, anregende Dynamik erlangte das Programm durch den Austausch der unterschiedlichen Generationen an Wissenschaftlern sowie in besonderer Weise durch das Zusammenspiel von Seminar und Exkursion. Die wichtigsten Paulusstätten San Paolo alle Tre Fontane als Ort des Martyriums und San Paolo fuori le mura als Begräbnisort wurden ebenso besucht wie die Katakomben an der Via Appia oder – in Dunkelheit bei strömendem Regen – die „Bekehrung des Paulus“ von Caravaggio in Santa Maria del Popolo. Dabei war der Tag, den das Seminar von der Morgenandacht bis zur Vesper in der Basilika und im Kloster San Paolo Fuori le Mura verbrachte, vielleicht der intensivste, machte er das Lernen und Forschen am Ort doch am greifbarsten, v.a. im Hinblick auf die Frage, wann der Altar wo stand und wie er sich über die Zeiten hinweg architektonisch und liturgisch zum Paulusgrab verhielt.
Zudem blieb auch das „andere Rom“ den Rombesuchern nicht verwehrt: Prof. Garrone von der Facoltà Valdese di Teologia führte am vorletzten Tag, dem 9. November, durch das Ghetto und machte auf viele, bislang ungesehene Details aufmerksam.
Reich gemacht haben dieses Paulusseminar aber auch die Begegnungen und Gespräche fachlicher wie privater Natur, die sich auf den vielen Wegen durch Rom ergaben. Und so war der Aufenthalt in Rom nicht nur eine Horizonterweiterung für Geist und Sinne und die eigene Forschungsarbeit, sondern auch ein wertvolles Knüpfen neuer, herzlicher Kontakte. Das Programm war – auch dank der Unermüdlichkeit und Begeisterungsfähigkeit Martin Wallraffs – so intensiv und dicht, dass man kaum zum Kauf einer Postkarte kam und schon gar nicht dazu, eine Münze in die Fontana di Trevi zu werfen, um wiederkommen zu können. Aber wer glaubt schon daran? Da halten es Theologen besser mit Paulus, der in seinem Brief nach Rom innig hoffte, „ob sich’s wohl einmal fügen möchte durch Gottes Willen“ (Röm 1,10).
Bericht: Elisa Victoria Blum
Foto: Philipp Pilhofer